Kunstwerk im Fokus November 2020 Theodor Werner: Komposition in Schwarz-Weiß Zeichen setzten | Theodor Werner: Komposition in Schwarz-Weiß, 1955 Tuschezeichnung auf Papier, 15 x 19 cm rechts unten monogrammiert und datiert |
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September 2020 Kunstwerk im Fokus
Die Befreiung von der Farbe Wenn im babylonischen Mythos die Himmels- und LIebesgöttin Ischtar in die Unterwelt steigt, um ihren Geliebten zurückholen, muss sie an jeder Pforte ein Teil ihres Ornates ablegen, Kopfputz, Schmuck, Schleier, Kleider, bis sie auf ihren eigenen Körper reduziert um Einlass in das Innerste bitten kann. Fritz Winter scheint mit seinem Gemälde aus den 1960er Jahren etwas ähnliches zu verfolgen. So viel wie möglich von der Malerei wurde weggenommen: Farbigkeit, Formen, Illusion der realistischen Wiedergabe, sogar die Leinwand als gewohnter Träger eines Ölgemäldes musste dem blanken Papier weichen. Was übrig bleibt, sind die esentiellen, nichthinterfragbaren Bedingungen der Malerei: Pinsel, schwarze Pigmente und eine Malgrundlage. Sie nimmt die Spur der ersten, der grundlegenden Bewegung des Malers auf: den Strich eines Pinsels und das Ziehen einer Linie - mehr nicht. Es ist wie ein Ideogramm der Tätigkeit des Malens, das, wodurch es entstanden ist, sagt gleichzeitig, was es meint. Nicht umsonst erinnert das Werk an die chinesische Kalligraphie, die die Kunst des richtig gesetzten Pinselstrichs zur angesehensten Form unter den Künsten erhoben hat. Denn die Bewegung der Hand, vom Geist vorbereitet, ist das unmittelbare Signum der Persönlichkeit, die den Pinsel in der Hand hält. Über den Fluß der Armbewegung und der Farbe setzt der Künstler eine Signatur seiner geistigen Essenz auf das Papier. Malerei so verstanden gehört nicht mehr zu den bildenden Künsten, sondern in den Bereich der Philosophe, appelliert nicht an die Sinne, sondern an die Intellektualität. Fritz Winter zeigt mit diesem Gemälde, an welche Grenze der Reduktiion die Malerei getrieben werden kann, ohne ihre Aussagekraft zu verlieren. Sie steigt in die Tiefen der Selbst-Entblößung hinunter, um dort auf ihren Wesenskern zu stoßen. | Fritz Winter: Komposition in Schwarz und Weiß Ölfarben-Gemälde auf Papier, 50 x 70 cm rechts unten handsigniert und datiert: "f Winter 62" mit Foto-Expertise von Dr. Gabriele Lohberg |
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Juli 2020 Zum 90. Geburtstag Hannes Pirker Erzmagier und Luftkünstler Der 1930 im österreichischen Knittelfeld geborene Hannes Pirker ist ein Künstler im umfassenden Sinne. Ein Dreiklang aus Musik, bildender Kunst und vermittelndem Wort bestimmt seinen Lebensweg. Er studierte Musik mit Meisterklassenabschluss in Querflöte am Grazer Konservatorium; als gelernter Schreiner und aus ausgebildeter Stahlwerker beherrscht er zwei der ältesten Handwerkstechniken der Menschheit und als erfolgreicher Fotograf und Filmförderer bewies er sich in den 1960er Jahren im visuellen Leitmedium des 20. Jahrhunderts. Als Lehrer, Autor und Galerist ist er engagierter Vermittler eigener und fremder Kunst, und als geborenem Pädagogen war es ihm immer ein Bedürfnis gewesen, seine kenntnisreiche Leidenschaft für Kunst in all ihren Form anderen zu vermitteln. Denn Hannes Pirker ist nicht nur ein Mann des Schaffens, sondern auch der Gedanken und der Worte. Jedes seiner Kunstwerke ist unterfüttert mit reichem Wissen und mit historischen Bezügen. Er steht im Dialog mit der Kunstgeschichte, knüpft ein Gespräch mit dem Bildhauer Franz Xaver Messerschmitt an oder denkt die Ansätze des Bauhauses für das späte 20. Jahrhundert weiter - und das so überzeugend, dass ihm das Bauhaus-Archiv als einzigem österreichischem Künstler den Titel "enkel des bauhauses" zusprach. Hannes Pirkers Kunst erwächst bei aller Modernität aus einer humanistischen Grundlage, das Fundament ist die gedankliche Auseinandersetzung des Künstlers mit der Welt. Für den engagierten Bürger Pirker ist diese Welt auch die unmittelbare Lebensumgebung gewesen. Das große Weltenkonzept und die Historie und Gegenwart der Steiermark, Makro- und Mikrohistorie liest er in eins und zieht für beide Seiten erhellende Erkenntnisse daraus. |
Hannes Pirker: "Das Werden", 1960er Jahre |
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Mai 2020 Kunstwerk im Fokus
Der Traum vom Fliegen Auch die Moderne schafft Mythologien. Ist der Fundus der der Antike erschöpft, kann die zeitgenössische Fantasie nachhelfen und mit den ihr eigenen Mitteln Fabelwesen schaffen. Lothar Fischer greift das Motiv des Zentauren auf, jenes Mischwesens aus Mann und Pferd. Er bildet das urtümliche Naturwesen, das schon durch die antike Phantasiewelt eines Franz von Stucks galoppierte, in einen Pferdekörper um, dessen menschlicher Kopf in vierfacher Ausführung wie ein Reiter auf den Sattel gerutscht ist. Den Körper des Rosses bildet ein gedrungener Flugzeug-Rumpf. Das Mischwesen aus Natur und Kultur, wie es die Griechen sahen, wird bereichert durch das Hinzutreten der Technik in Gestalt eines Maschinen-Teils. Der gedrungene Flugkörper, der auch an ein Miniatur-U-Boot erinnern könnte, steht für den Luftraum, in den einzudringen dem Menschen für die meiste Zeit seiner Geschichte verwehrt war. Erst das 20. Jahrhundert hat ihm die Flügel verliehen, nach denen er sich gesehnt hat, um den begrenzten Erden-Raum zu verlassen. Helmut Fischer hat sich in seinem Schaffen immer wieder mit dem Motiv des Reiters beschäftigt, auch er ja ein Mischwesen aus Mensch und Pferd, wenn auch nur ein für kurze Zeit bestehendes, das dem Menschen erlaubt, Geschwindigkeiten zu erreichen und Strecken zu überwinden, die ihm nach seiner natürlichen Ausstattung nicht zugänglich wären. Es ist dann nur folgerichtig, in die Erweiterung der Körper-Kräfte auch die Maschine einzubeziehen und die menschliche Figur in ein Hybrid-Wesen zu verwandeln. Dem Geist stand der Weg in den Himmelsraum durch die Pforten der Phantasie schon immer offen, jetzt scheint der Körper folgen zu können - zumindest von den Pegasus-Schwingen der künstlerischen Phantasie getragen. Düstere Technik-Feindlichkeit ist dem reizenden Gedanken-Spiel jedenfalls fremd. Mit surrealistischem Humor nimmt er den Wunsch des Menschen, mehr zu können, als ihm gegeben ist, aufs Korn und verleiht im zugleich Bildkraft in der Imagination. |
Lothar Fischer (Gruppe SPUR): Flugmaschine Die Flugmaschine, 1965 Tuschezeichnung, 28 x 29,5 cm rechts unten signiert und datiert |
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März 2020 Kunstwerk im Fokus Michaela Krinner: Griechenland II" Venus im Abseits Ein schöner Fang ist dem Fischer da ins Netz gegangen: der Kopf einer griechischen oder römischen Statue, das in Wellen gelockte Haar und die weichen ebenmäßigen Gesichtszüge lassen an Aphrodite oder genauer an die Venus von Milo denken. Der jahrtausendelange Aufenthalt im Wasser hat seine Spuren hinterlassen: ohnehin nur als Bruchstück auf uns gekommen, hat das Meerwasser die Nase angefressen, Falten in den hals gezogen und die Augen haben ihre Einlagen verloren, so dass die schweren Augenlider sich über leeren Augenhöhlen senken. Als Beifang steht neben dem Statuenkopf der verwitterte Rest eines Säulenkapitells, eines korinthischen Kapitells, den Akanthusblättern nach zu schließen, denen freilich die Verwitterung oder das Salz bereits deutlich zugesetzt haben. Die Göttin Aphrodite entstieg als Schaumgeborene bekanntlich einst dem Meer. Diese Venus taucht sie aus ihrem Geburtselement wenig glamourös auf, der Zahn der Zeit hat sichtbar an ihr genagt. Auch die Blumen, die einen passenden Hintergrund für eine Liebes- und Fruchtbarkeitsgöttin bilden, haben ihre beste Zeit hinter sich. Verblüht und ausgetrocknet scheinen diese Korbblütler den Trockenblumen der Immortellen näher zu stehen als wachsenden Pflanzen. Griechische Skulptur und Pflanzen - sie künden beide von vergangener Blütezeit. Sie scheinen eingefangen zu sein im Kreislauf des Werdens und Vergehens, und die Werke von Menschenhand aus kristallinem Marmor sind nicht weniger dem Vergehen unterworfen als die organischen Pflanzen, auch wenn sich dieses allmähliche Abblühen über Jahrhunderte erstreckt. Vom Lauf der Zeit besiegt, nur noch bruchstückhaft überliefert: das Tuscheblatt atmet zurückhaltende Melancholie und untergründige Trauer und scheint Heinrich Heines Gedicht "Die Götter Griechelands zu paraphrasieren: "Doch heilges Erbarmen und schauriges Mitleid / Durchströmt mein Herz, / Wenn ich euch jetzt (...) schaue, / Verlassene Götter". |
Michaela Krinner: Griechenland II, 1977 Tusche auf Papier, 41 x 51 cm rechts unten signiert und datiert Werkverzeichns Abercron: T-9 |
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Januar 2020 Kunstwerk im Fokus Frans Masereel: Der Ackermann von Böhmen 1952 Ein Gespräch wird über die Jahrhunderte hinweg geführt: zwischen einem Maler des 20. Jahrhunderts und einem böhmischen Notar des späten Mittelalters. Johann von Saaz verfasste um 1401 einen Dialog zwischen einem namenlosen Bauern und dem Tod. Der Ackermann streitet mit dem Tod, weil er den Tod seiner Ehefrau nicht hinnehmen will, der Tod kontert mit der Unausweichlickeit des Lebensendes. Gott, der als Schiedsrichter hinzutritt, erkennt das Recht des Todes an, ein Leben zu beenden, und das Recht des Menschen, über den Verlust zu klagen - und mit Gebeten sich die Hoffnung auf ein Wiedersehen im jenseitigen Leben zu verschaffen. Dieses Gespräch über Sinn oder Sinnlosigkeit des Todes hallte in der Kunst der folgenden Jahrhunderte auch in der Malerei und in der Musik weiter, rührt es doch an eine Grundfrage der menschlichen Existenz. Zum ersten Mal in der deutschen Literatur darf zumindest für die Dauer eines Dialogs die vehemente Klage, auch Anklage des Menschen über seine kreatürliche Gebundenheit die |
Frans Masereel: 13 originale Tuschzeichnungen zu Johann von Saaz': Der Ackermann von Böhmen, 1952 |
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